„Für wahr, der Mensch kennt seine Zeit nicht“

Zu besichtigende Sepulkralkultur an der Hochschule bis Vorlesungsende Februar 2023

Marie Luis Zahradnik sitzt auf Treppe
Sätze aus Grabinschriften auf Folie an den Treppenstufen als Wegweiser und Einstimmungselement, Haus 19 HSN
RollUps zum jüdischen Friedhof in Bleicherode im Foyer, Haus 19
Aussttelllungseröffnung und Filmpremiere mit  Lucie Fouble, Anthony Giacchino und Dr. Marie-Luis Zahradnik
Ausstellung im Foyer Haus 19 der HSN

Am 9. Oktober 2022 gab es zwei Events an der Hochschule Nordhausen, die sich dem Erinnern und Gedenken verschrieben: die Premiere des Films „Colette“ und die Eröffnung einer Ausstellung zur jüdischen Sepulkralkultur.

„Für wahr, der Mensch kennt seine Zeit nicht“ steht auf einer der sieben Treppenfolien im Haus 19, die dezent den Weg zur Ausstellung weisen. Auf den Treppenfolien sind verschiedene Verse aus der Übersetzungsarbeit von hebräischen Grabinschriften zu lesen, die eine erste Berührung mit dem Thema geben und zeigen, wie die verstorbene Person gehuldigt wurde und wie man über die textuelle Ebene mit Tod, Trauer und Erinnerung umging. Dies sind Ergebnisse aus dem Projekt „Digitalisierung der jüdischen Friedhöfe im Landkreis Nordhausen“, das von der Thüringer Staatskanzlei finanziert und von der Hochschule Nordhausen seit März 2021 durchgeführt wird.

Das Foyer des Hörsaalgebäudes bietet durch seine Architektur und Weite die Möglichkeit, dass die drei existierenden jüdischen Friedhöfe in Bleicherode, Ellrich und Nordhausen sowie die nicht mehr existierenden Friedhöfe in Sülzhayn und Werna mit ihrer Geschichte und ihren Besonderheiten in den jeweiligen vier zueinander offenen räumlichen Bereichen für sich stehen, als auch durch die Ebene einen geschlossenen Kreis zum Thema bilden. So widmen sich um die 13 Roll-Ups mit Text und Bild den Friedhöfen. Die scheinbar über den Köpfen schwebenden Deckenhänger, zumeist 2 bis 3 drei Stück für jeden Friedhof, zeigen beidseitig bedruckt die Texttafel des jeweiligen Grabsteins und die dazugehörige Übersetzung, um sich damit den Versen auf den Treppenstufen wieder anzuschließen. Hinter jedem Grabmal steht eine persönliche Geschichte oft mit Fotografien bereichert. So konnten je nach Qualität alte Fotografien für die lebensgroßen Figurenaufsteller verwendet werden, die mit kurzen biografischen Angaben und einem Foto vom Grabmal ergänzt wurden.

„Geschichte geht auch klimafreundlich“ war das Motto bei der Ausstellungsplanung, die Recherchen zur Gestaltung, zum Material sowie zu Unternehmen mit umweltfreundlichen Herstellungsmöglichkeiten notwendig machte. Dies war ein wichtiger Bestandteil und zugleich ein interessantes Neuland für die Ausstellungskuratorin Dr. Marie-Luis Zahradnik, die dabei eng mit der Werbeagentur von Dirk Schröter zusammenarbeitete. Es wurde zum größten Teil auf Materialen und Herstellungsmethoden zurückgegriffen, die beispielsweise durch eine größere CO2-Einsparung und 100prozentige Recyclebarkeit umweltfreundlich sind, was einem neu aufkommenden Trend der Ausstellungskuration entspricht, jedoch mehr in den „großen“ Museen berücksichtigt wird. Damit kann die Ausstellung ein Wegbereiter für Museen im kommunalen Bereich sein, die neue Wege für die nächste Ausstellungsarbeit gehen wollen. Ein nachhaltiger Punkt der Ausstellung liegt in ihrer mobilen Anwendung. Sie kann auch an anderen Orten aufgebaut und dort für museumspädagogische und berufsethische Angebote verwendet werden. Gern können Interessierte dazu Kontakt zur Hochschule aufnehmen. Bis Anfang Februar 2023 steht die Ausstellung zur öffentlichen Besichtigung im Foyer des Obergeschosses im neu sanierten Gebäude 19 und kann von 9.00 bis 18.00 Uhr besichtigt werden.

Die Hochschule Nordhausen dankt der Thüringer Staatskanzlei für die Förderung des Digitalisierungsprojekts, das die inhaltliche Gestaltung der Ausstellung erst ermöglichte, und allen denen, die die Umsetzung der Ausstellung unterstützt haben, allen voran Herrn Heise vom Verein Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V., der Stadt Nordhausen und der Kreissparkasse Nordhausen.

Fotos: Nadine Kathrin Luschnat