Aus dem Dunkel ins Licht - Erfolgreiche Kinderschutzkonferenz

Die 2. Nordhäuser Kinderschutzkonferenz widmete sich Kindern psychisch kranker Eltern.

Bild 1 und 2:

Von Kindern gemalte Bilder drücken die Verunsicherung aus

Um Kinder psychisch kranker Eltern zu fördern, ist ein verlässliches Unterstützernetzwerk um die Familie herum wichtig – dies ist die wohl zentralste Botschaft der 2. Kinderschutzkonferenz in Nordhausen. Rund 160 Fachleute aus dem Gesundheits-, Sozial- und Bildungsbereich sowie zahlreiche Studierende waren der Einladung des Landkreises Nordhausen, der Koordinationsstelle für Frühe Hilfen beim Kreisjugendring Nordhausen e.V. und der Fachhochschule Nordhausen ins Audimax gefolgt. Die Kinderschutzkonferenz richtete sich an alle Personen, die mit Kindern Kontakt haben. Entsprechend erfreulich war die hohe Zahl und das breite Spektrum der Teilnehmer. Interessierte aus den verschiedensten Berufsgruppen wie Hebammen, Ärzte, Lehrer, Vereinstrainer, Behördenmitarbeiter und Psychologen nahmen an der Kinderschutzkonferenz teil. Sie alle einte das Ziel, Kinder psychisch kranker Eltern aus dem Dunkel ins Licht zu holen, mit vielen unterschiedlichen Professionen gemeinsam nach Unterstützungsmöglichkeiten zu suchen. Um die Kinder zu schützen und erkrankte Eltern zu unterstützen, sei es wichtig, die vorhandenen Ressourcen der Eltern und Kinder zu nutzen, um die Familiensituation zu stabilisieren, so die Experten in den Fachvorträgen. Denn keinesfalls lasse sich pauschal sagen, dass psychisch erkrankte Eltern generell nicht dazu in der Lage seien, ihre Kinder zu betreuen und zu erziehen – zumal die Bandbreite der Erkrankungen sehr weit ist.

Prof. Dr. Markus Steffens von der FH Nordhausen führte als wissenschaftlicher Leiter der Tagung in die komplexe Thematik ein, die in der Öffentlichkeit noch oft als Tabu gilt. Erkrankte fühlen sich stigmatisiert, empfinden Scham, distanzieren sich häufig von ihrem sozialen Umfeld. Man geht davon aus, dass nur etwa jeder zehnte psychisch Erkrankte angemessen behandelt wird. „Kinder haben sehr feine Antennen, sie nehmen die Veränderungen der Eltern früh wahr“, so Prof. Steffens. Wie sich die psychische Erkrankung auf die Kinder auswirken kann, ist unterschiedlich und lässt sich kaum verallgemeinernd zusammenfassen. Das Kindeswohl sei nicht automatisch eingeschränkt, so Prof. Steffens. Untersuchungen gehen jedoch davon aus, dass bis zu 60 % der Kinder eine psychische Auffälligkeit entwickeln. Ebenso steigt das Risiko für Kinder psychisch kranker Eltern, später selbst zu erkranken um ein Vielfaches. Kinder sollten daher wissen, dass ihre Eltern krank sind, damit sie nicht das Gefühl haben, schuld am Verhalten der Eltern zu sein, unterstrich Prof. Steffens. Prof. Dr. Philip Heiser, Chefarzt der Kinder- und Jugendpsychiatrie stellte die Kinderschutzgruppe vor, die im Südharz Klinikum seit Februar übergreifend für alle Fachbereiche als zentraler Ansprechpartner fungiert, wenn Ärzte und Pflegepersonal den Verdacht haben, dass das Wohl eines Kindes gefährdet sein könnte. Dabei arbeiten die Mediziner eng mit dem Jugendamt zusammen.

Fachleute schätzen, dass von etwa drei Millionen Kindern bundesweit ein Elternteil von einer psychischen Störung betroffen ist. Von etwa 175.000 Kindern wird zumindest ein Elternteil stationär psychiatrisch behandelt. Da überdurchschnittlich häufig Alleinerziehende betroffen sind, ist es wichtig, um die Familie herum verlässliche Strukturen aufzubauen, damit Kind und Elternteil wissen, wohin sie sich in schwierigen Situationen wenden können. Wichtig sei insgesamt eine frühe Ansprache betroffener Kinder. Nur so können gemeinsam mit den betroffenen Eltern und den zuständigen Behörden Notfallplanungen gemacht werden, so Jana Urbanek von der Koordinierungsstelle für Frühe Hilfen. So könnten etwa Notfallbriefe an die Kinder entworfen werden, die Hilfestellungen geben, wie sich die Kinder im Falle akuter Probleme verhalten können und wo sie Hilfe erhalten. Eine Familienberatungsstelle, die sich gezielt nur psychisch erkrankten Eltern und ihren Kindern widmet, hat der Wege e.V. mit „AURYN“ in Leipzig aufgebaut. Deren Leiterin, Dr. Christine Kündiger, beschrieb in ihrem Vortrag, wie vielfältig die meist alltäglichen Situationen sind, für die die betroffenen Familien Unterstützung und Beratung suchen. Wo betroffene Eltern, ihre Kinder oder auch Angehörige, Lehrer, Erzieher oder andere im Umfeld Hilfe und Beratung finden können, erläuterten in der abschließenden Podiumsdiskussion Elke Schnabel, Leiterin des Sozialen Diensts, Jana Franke, Leiterin des Sozialpsychiatrischen Dienstes im Landratsamt, Petra Dienemann, Teamleiterin im Familienzentrum des Jugendsozialwerks, Jana Lenz, Leiterin der Ambulanten Dienste der Nordthüringer Lebenshilfe, und Sabine Reich, Geschäftsführerin des Kreisjugendrings.

Nach diesem Auftakt bei der Kinderschutzkonferenz, die das Thüringer Familienministerium gefördert hat, wollen die Akteure die interdisziplinäre Diskussion fortsetzen und ihre Netzwerkstrukturen ausweiten, um Kinder psychisch erkrankter Eltern noch besser unterstützen zu können. „Dazu ist es einfach nötig, ein persönliches Helfernetzwerk aufzubauen. Dies kann sich jedoch schwierig gestalten, da psychische Erkrankungen zu oft noch ein Tabu sind“, sagte Jana Urbanek. „Die Kinderschutzkonferenz und die begleitende Ausstellung ’Schlage die Trommel und fürchte dich nicht!’, in der einst betroffene Kinder als Erwachsene ihre Gefühle künstlerisch ausgedrückt haben, dienen auch dazu, psychische Erkrankungen zu enttabuisieren, damit Betroffene die Möglichkeiten haben, offen anzusprechen, dass es Phasen in ihrem Leben geben kann, in denen sie und ihre Kinder auf die Hilfe und die Unterstützung anderer angewiesen sind.“

 

 

Nr. 056/2012 vom 22.10.2012