Nächster Schritt zur Wertstoffwende: Projekt Recycling 2.0 in der 2. Phase

Ziel des Projektes „Recycling 2.0 – Die Wertstoffwende“ ist es, in Analogie zur Energiewende, ein Umdenken hinsichtlich einer nachhaltigen Rohstoffversorgung zu initiieren. Dazu und um dem global stark wachsenden Rohstoffbedarf zu begegnen ist eine intensivere Wertstoffrückgewinnung erforderlich. Viele primäre Rohstoffquellen gelten zunehmend als weitgehend ausgebeutet. Neben getrennt gesammelten einzelnen Abfällen stellen gemischte Massenabfallströme als wachsende urbane Quellen eine attraktive Alternative dar.

Am Anfang des Recyclings steht die Sammlung. Doch gerade hierbei besteht erheblicher Verbesserungsbedarf. Die Bandbreite der Probleme reicht dabei vom schlichten Fehlen von geeigneten Sammelsystemen über eine unzureichende Information der beabsichtigten Nutzer oder die ungünstige Positionierung der Sammelstellen. Bei vielen Bürgern fehlt oft das Wissen, was eine getrennte Sammlung bewirken könnte. So ist selbst in Deutschland mit einem eigentlich eher hohen und verbreiteten Umweltbewusstsein und idealen infrastrukturellen Bedingungen die Menge an fehlgesteuerten Abfällen immer noch immens. Neue Ansätze, die insbesondere  darauf abzielen, besonders werthaltige Abfallkomponenten aus den großen gemischten Abfallströmen wie beispielsweise dem Hausmüll  auszuhalten sind Gegenstand des aktuellen Forschungsprojektes „Forum Recycling 2.0 – die Wertstoffwende – strategisches Konzept“ an der Hochschule Nordhausen unter der Leitung von Frau Prof. Schade-Dannewitz vom Studiengang Umwelt- und Recyclingtechnik. Das Projekt wird mit 421.596 € vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.

In Bezug auf das Recycling von Hochtechnologie-Metallen ist eine der wichtigsten Produktkategorien Elektro- und Elektronikgeräte.  Eher als Elektroschrott bekannt sind diese Produkte ein wahres Metallrohstofflager, welches es zu erschließen gilt. Diese enthalten wiederum verstärkt im Bereich der Informations- und Kommunikationsgeräte sogenannte Strategische Metalle. Strategisch deshalb, weil ein Industrieland wie Deutschland  über diese Rohstoffe verfügen sollte, um seine Bürger mit den notwendigen technischen Geräten zu versorgen. Zu den Strategischen Metallen  gehören Seltene Erden, Sondermetalle wie Gallium, Germanium, Arsen, Selen, Zinn, Antimon und Tellur, einige Edelmetalle wie Silber, Gold, Palladium und Platin sowie refraktäre Metalle wie Niob, Tantal und Wolfram. So befinden sich in einem durchschnittlichen Smartphone bis zu 30 verschiedene Metalle, beispielsweise etwa 0,3 g Silber, 0,03 g Gold, 0,05 g Neodym und weitere Hochtechnologiemetalle. Dass diese Metallgehalte jedoch um ein Vielfaches über den Gehalten der natürlich vorkommenden Erze liegen – einhundert Smartphones mit einem Gewicht von etwa elf Kilogramm enthalten die gleiche Goldmenge wie eine Tonne Golderz – ist den wenigsten Menschen bewusst.

Fest steht, die Rohstoffe  der Zukunft ermöglichen überhaupt erst den Bau von Handys, leistungsfähigen Computern und Flachbildschirmen, Elektroautos und Solarzellen, Festplatten und Windkraftanlagen. Gerade in rohstoffarmen Ländern wie in Europa oder Japan fürchtet man, der Hightech-Industrie könnte der Nachschub an Rohstoffen ausgehen, weil die Metalle in zu geringen Mengen gewonnen werden, die Preise explodieren oder die Förderländer, wie z. B. China die begehrten Rohstoffe lieber der eigenen Industrie vorbehalten. So finden 95 Prozent der Produktion strategischer Metalle derzeit in China statt, einem Land also, dessen eigene Industrie immer mehr Ressourcen verschlingt. Wir werden deshalb darauf angewiesen sein, z. B. Elektroschrott als Wertstoffquelle zu nutzen. Die Hochschule Nordhausen möchte im Rahmen des Forschungsprojektes gemeinsam mit Umweltpsychologen der Otto-von Guericke-Universität Magdeburg im Rahmen von Feldstudien in der Modellregion Nordhausen verschiedene Konzepte zur optimierten Ressourcenrückführung untersuchen. Das  daraus entwickelte strategische Konzept soll zukünftig auf andere deutsche Kommunen übertragen werden. Die Feldstudien werden in Kooperation mit den Stadtwerken Nordhausen sowie den Nordthüringer Werkstätten ab Herbst 2015 durchgeführt. Mit einem funktionierenden Recyclingsystem für Elektroaltgeräte und Elektroschrott könnte eine spürbare Entspannung der Versorgungssituation erreicht werden. Eine organisierte Ressourcenrückführung hat viele Vorteile: Sie reduziert das Müllproblem und mindert den Druck auf den Rohstoffabbau. Zudem schafft sie Arbeitsplätze und Einkommen.

Der innovative Kern des Forschungsvorhabens beruht auf einem interdisziplinären Ansatz. Dieser wird im Rahmen des Förderprogramms „zwanzig20 – Partnerschaft für Innovation“ durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. Mit der Begleitung der Fördermaßnahme wurde der Projektträger Jülich beauftragt. Da das Verbraucherverhalten eine entscheidende Rolle spielt, müssen für ein verbessertes Recycling neben rein technischen und wirtschaftlichen Aspekten insbesondere sozialwissenschaftliche und psychologische Aspekte berücksichtigt werden. Der Ausbau des Kooperationsnetzwerkes und die Erschließung neuer Märkte bilden weitere Säulen der Wertstoffwende.

In der 1. Phase der Projektbearbeitung wurden im Wesentlichen die Potenziale verfügbarer Abfallströme beurteilt und die Ausrichtung der weiteren Arbeiten durch das Forschungskonsortium geschärft. Auf  dieser Basis  finden Feldstudien im Landkreis Nordhausen als Musterregion mit dem Ziel statt, bürgerfreundliche Erfassungsstrategien zu entwickeln.

Die Hochschule Nordhausen freut sich, gemeinsam mit seinen Partnern an der Umsetzung der Projektziele zu arbeiten. Vier renommierte Hochschulen haben sich zur Lösung dieser Aufgaben zusammengefunden:

Hochschule Nordhausen - (Konsortialführer)
Die Konsortialführerschaft für dieses Projekt liegt bei der Hochschule Nordhausen, die über hohe Kompetenz im Bereich der Behandlung von Abfallströmen verfügt. Frau Prof. Dr.-Ing. Sylvia Schade-Dannewitz aus dem Studiengang Umwelt- und Recyclingtechnik fungiert als Konsortialführerin und vertritt die Interessen des Konsortiums. Darunter sind auch die Netzwerkpflege und –erweiterung, die netzwerkinterne Kommunikation, Marketing sowie die Koordination der Arbeiten zu verstehen. Zur Identifizierung von Wertstoffpotenzialen werden Sachstands- und Umfeldanalysen durchgeführt; die Initiierung von Folgeprojekten wird ausdrücklich gewünscht. Darüber hinaus werden die Feldstudien zur Verbesserung der Erfassung von Elektroaltgeräten praktisch umgesetzt.

Technische Universität Clausthal
Die TU Clausthal engagiert sich in diesem Projekt mit ihrer technischen Kompetenz im Bereich der Verwertung wirtschaftsstrategischer Rohstoffe und hochwerthaltiger Abfallströme. Herr Prof. Dr.-Ing. Daniel Goldmann vom Institut für Aufbereitung, Deponietechnik und Geomechanik agiert federführend für die Aufgaben der Clausthaler Wissenschaftler. Wesentliche Schwerpunkte der Projektbearbeitung seitens der Technischen Universität Clausthal sind die Identifizierung neuer Recyclingtechnologien und Beurteilung von deren Umsetzbarkeit zur entscheidenden Verbesserung des aktuellen Standes der Wissenschaft und Technik im Sinne einer Kreislaufwirtschaft.

Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen
Die RWTH Aachen bringt ihre Kompetenz im Bereich der Prozesstechnologien und Erfahrungen aus dem Bereich im Umgang mit Massenabfällen ein. Herr Prof. Dr.-Ing. Thomas Pretz vom Institut für Aufbereitung und Recycling koordiniert die Arbeiten des Aachener Partners. Zentraler Aspekt ist die Identifizierung von Technologien zur Sekundärrohstoffanreicherung. Daraus abgeleitet werden Instrumente entwickelt, die eine zielgerichtete Strategie zur Entwicklung einer angepassten Kreislaufwirtschaft ermöglichen.

Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
Mit der OvGU Magdeburg wird auf transdisziplinärer Ebene der umweltpsychologische Part des Projektes abgedeckt. Prof. Dr. Florian G. Kaiser, Institut für Psychologie der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, vertritt die Sozialpsychologie im Rahmen dieses Forschungsvorhabens. Gegenstand der von ihm betreuten Arbeiten ist die systematische Untersuchung des Abfallsammel- und Recyclingverhaltens der Bürgerinnen und Bürger. Das umfangreiche sozialpsychologische Wissen im Bereich Verhaltenssteuerung fließt dabei in die Gestaltung verschiedener Maßnahmen ein, die zu einem höheren getrennten Rücklauf besonders werthaltiger Stoffströme wie Elektroaltgeräte führen soll. In mehreren Feldstudien wird die Wirkung unterschiedlichster Maßnahmen auf das Recyclingverhalten der Bürgerinnen und Bürger untersucht.

Zum Abschluss schon jetzt ein besonderer Dank an alle, die in Zukunft zum Gelingen dieses Vorhabens beigetragen werden!