Geotechniker mit Drohnenführerschein

Studierende der Geotechnik freuen sich bei der ersten Exkursion nach dem Lockdown über Einblicke in die Arbeitswelt eines Geotechnik-Ingenieurs und über ein Treffen mit Absolventen

Die HSN-Absolventen Torsten Meißner und Friedrich Leifheit mit Studierenden des Studiengangs Geotechnik vor dem Großdrehohrgerät BG 30 auf der Baustelle in Arnstadt (Foto: Norbert Stuth)

Ein Studium im Bereich Ingenieurwissenschaften an einer Fachhochschule, wie im Studiengang Geotechnik, lebt zu einem großen Teil von angewandter Wissensvermittlung in Form von Praktika und Exkursionen. Nachdem sich die Hochschule Nordhausen seit April 2020 in der Online-Lehre befindet, musste auf diesen wichtigen Bestandteil verzichtet werden oder nach Ausweichlösungen gesucht werden. Daher war die Freude besonders groß als nun mit der Entspannung der Inzidenzwerte wieder Praktika und Exkursionen durchgeführt werden konnten.

Im Rahmen der Vorlesung „Flächenrecyclingmanagement“ im 6. Semester des Geotechnik-Studiums waren Sicherungs- und Dekontaminationsmaßnahmen bei der Beseitigung von Altlasten ein Thema. Was stand da näher, als sich eine solche Maßnahme in der Praxis anzusehen? Dabei wurde sich ein großer Vorteil unserer kleinen Hochschule zunutze gemacht: da der Kontakt zwischen Studierenden und Dozenten während des Studiums sehr eng ist, besteht meist auch nach dem Abschluss eine gute Verbindung zwischen Absolventen und Lehrpersonal. Und wer kann besser über die zukünftigen Tätigkeitsbereiche eines Geotechnik-Ingenieurs berichten als ein ehemaliger Student, der das Studium und die Fragen der Studierenden aus eigener Erfahrung kennt. Herr Friedrich Leifheit, einer unserer Geotechnik-Absolventen, ist als Bauleiter bei der Firma BAUER Resources GmbH im Bereich Bauer Umwelt tätig und lud die Studiengruppe von Dipl.-Geologe Norbert Stuth zu einer Exkursion auf seine Baustelle auf einem ehemaligen Gaswerkstandort in Arnstadt ein.

Historisch wurde dieses Areal seit 1901 als Gasanstalt auf dem Gelände „Auf dem Anger“ betrieben und mit der Wende Ende der 1980iger Jahre stillgelegt. Ein Gutachten aus dem Jahr 1993 belegt die Belastung mit Schwermetallen und PAK`s (Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe) im Untergrund. Im Rahmen der Sanierung werden die verbliebenen Schadstoffe entfernt. Begonnen wurde mit dem Rückbau der unterirdischen Teerbecken. Der sich anschließende Bodenaushub wurde im Juni 2021 mittels innovativer Technologie, dem Einsatz des Austauschbohrverfahrens, vorgenommen. Dieses Verfahren ermöglicht es, gezielt in einer Tiefe von 3 bis 7 Metern den belasteten Boden herauszubohren und anschließend mit unbelastetem Material zu verfüllen. Gleichzeitig wird durch dieses Verfahren eine Freisetzung flüchtiger Bestandteile in die Umgebung so gut wie ausgeschlossen. Notwendig, da unmittelbar an das Geländeareal des ehemaligen Gaswerkes Wohnbebauungen angrenzen.

Das belastete Material wird in Arnstadt vor Ort auf einer speziell hergerichteten Lagerfläche zwischengelagert, bevor es in eine Bodenbehandlungsanlage kommt, die sich in Bleicherode befindet und ebenfalls von der Firma BAUER Resources, Bereich Bauer Umwelt, betrieben wird. Der Leiter dieser Bodenbehandlungsanlage, Herr Torsten Meißner, ist ebenfalls ein Absolvent des Studiengangs Geotechnik an der Hochschule Nordhausen und konnte sich für die Exkursion ebenso Zeit nehmen um den Studierenden von seiner Arbeit zu erzählen.

Die Besichtigung der Baustelle begann mit einer Einführung in die technischen Abläufe des ehemaligen Gaswerks und führte über den Baustellenablaufplan und dem Stand der Arbeiten zum interessantesten Teil, der Baustellenbegehung. Beeindruckt von der eingesetzten Bohrtechnik (Großdrehbohrgerät BG 30) und den zu erfüllenden Rahmenbedingungen fiel den Studierenden besonders auf, dass sich die Aufgaben eines Bauleiters auf Bereiche erstreckt, die man zuerst gar nicht vermutet. Musste ein Bauleiter „alter Schule“ stimmfest sein, muss er heute über einen Drohnenführerschein verfügen. Alle Aufmaße auf der Baustelle werden mittels dieser Technik aus der Luft aufgenommen und „wasserdicht“ als Abrechnungsgrundlage verwendet. Gleiches gilt für die Dokumentation – hier geht ohne Tablet mit modernster Spezialsoftware nichts. Ableitend daraus müssen auch die Anforderungen im Studium angepasst werden, was im Studiengang bereits diskutiert wird. Die Schnittstellen sind im Fachbereich Ingenieurwissenschaften auf jeden Fall vorhanden.

Für die Studierenden war die Exkursion nicht nur wegen der Tatsache, dass sie so lange darauf verzichten mussten, ein voller Erfolg. Sie erhielten einen Einblick in ein mögliches Arbeitsfeld, lernten direkt aus der Praxis und bisherige theoretische Kenntnisse mit dem Vorbehalt „Altlasten sind uninteressant“ wurden völlig neu gesehen.

Unser ehemaliger Absolvent Herr Leifheit berichtete auch in einem YouTube-Video von seiner Tätigkeit als Bauleiter bei BAUER Resources GmbH, in dem er einen spannenden Einblick in die Praxis sowie Tipps gibt, warum sich ein Geotechnik-Studium lohnt: https://www.youtube.com/watch?v=Se54Li89s44

Das ingenieurwissenschaftliche Geotechnik Studium vermittelt umfassende Fachkompetenz. Auf solider naturwissenschaftlicher Grundlage werden Geosysteme analysiert, charakterisiert und reflektiert. Traditionelle Themen wie die Gewinnung von Rohstoffen und Trinkwasser, aktuelle Themen wie die geotechnische Bemessung von Windkraftanlagen und die Nutzung geothermischer Ressourcen sowie Zukunftsthemen wie der energetische Stadtumbau oder die permanente Bindung von Treibhausgasen in Geosystemen werden diskutiert und in Fallstudien und fachbezogenen Seminaren vertieft.