Gedenken und Erinnern

Nordhausen (HSPN): Die neugestaltete Ausstellung zur jüdischen Sepulkralkultur und zum jüdischen Leben im 19. Jahrhundert sowie die thüringische Filmpremiere der deutschen Fassung des Dokumentationsfilms „Colette“ setzen neue Akzente an der Hochschule Nordhausen.

Ausstellungskuratorin und Unterstützerin des Oscarfilms „Colette“ Dr. Marie-Luis Zahradnik und Polizeihauptkommissar Jens Bönisch

Bereits zu Beginn des Jahres 2021 konnte die Hochschule Nordhausen mit dem Projekt „Digitalisierung der jüdischen Friedhöfe im Landkreis Nordhausen“, unter der Leitung von Dr. Marie-Luis Zahradnik, einen neuen Weg zwischen Geschichte und Digitalisierung einschlagen und einen Beitrag zum Erhalt und zur Erschließung von geschichtlichen Quellen auf Stein beitragen. Das Projekt wurde zum Musterbeispiel für die Digitalisierungsarbeiten von jüdischen Friedhöfen im ländlichen Raum in Thüringen. Öffentlich wurden durch Vorträge und in einer Online-Präsentation bei www.kulthura.de und epidat des Steinheim-Instituts in Essen für das Thema geworben, um eine Sensibilisierung für die jüdische Erinnerungs- und Gedenkkultur im lokalen Raum weiter zu vertiefen. In der Ausstellung im städtischen Museum und anschließend im Mai/Juni 2022 auch in der Liegenschaft der Landespolizeiinspektion Nordhausen wurde die Ausstellung zur jüdischen Sepulkralkultur und zum jüdischen Leben im 19. Jahrhundert öffentlich zugänglich gemacht. Sie wurde zugleich zu Fortbildungsmaßnahmen für Polizeibedienstete genutzt. Die Ausstellung wird nunmehr in einer umgestalteten Form im Foyer des Obergeschosses des Hauses 19 an der Hochschule Nordhausen zu besichtigen sein.

Die zusehende Ausstellung wurde vom Verein „Gegen Vergessen - Für Demokratie“ e. V. im Rahmen des Programmes „Demokratie Leben!“ und von Privatpersonen finanziert. Für die Neugestaltung wurde zum Teil auf Materialen und Herstellungsmethoden verwendet, die umweltfreundlich sind, was einem neu aufkommenden Trend der Ausstellungskuration entspricht. Neben mobilen Roll-Ups über die Friedhöfe werden auch lebensgroße Display-Aufsteller, mit Biografien von beigesetzten Personen, mit historischem Fotomaterial sowie Deckenhänger mit Fotografien und Inschriften von den Grabsteinen zu sehen sein. Die Ausstellung kann auch an anderen Orten aufgebaut werden und dort für museumspädagogische und berufsethische Angebote verwendet werden.

Gedenken und Erinnern hat viele Formen des Ein- und Ausdrucks. So schließt sich an die Ausstellung auch eine filmische Form des Erinnerns und Wachhaltens für ein Einzelfallbeispiel des 20. Jahrhunderts an. Besonders in Filmszenen wird sichtbar, dass es kein richtiges oder falsches Erinnern gibt, sondern der Moment lässt das Erinnern aufkommen, begreifbarmachen und aushalten. Diesem authentischen Bild nahm sich der amerikanische Regisseur Anthony Giacchino an und bekam dafür 2021 für seinen Dokumentationsfilm „Colette“ in der Kategorie "Beste Dokumentation (Kurzfilm) den Oscar. Die Präsentation ist in Französischer Sprache mit deutschen Untertiteln. Dies ist ein bedeutungsvolles Moment, da man die Emotionen beider Protagonistinnen nicht synchronisieren kann. Das und die Bildszenen machen den Film neben seinen gerade so erfolgreich. Ihre filmischen Anfänge hatte die Dokumentation u. a. in der Stadt Nordhausen und im Konzentrationslager Mittelbau-Dora. Zudem ist der Ort der Filmvorführung in unmittelbarer Nähe des Sterbeortes von Colettes Bruder und Gefangener, der in Boelke-Kaserne 22.03.1945 verstarb. Daher wird die Filmpremiere der deutschen Fassung in Nordhausen stattfinden, und zwar am 9. Oktober 2022 an der Hochschule Nordhausen mit einem Rahmenprogramm.

Ein Gesteck zum Gedenken werden der Regisseur und Produzent Anthony Giacchino, die Protagonistin Lucie Fouble und einige Teammitglieder werden KZ-Mittelbau Dora ablegen und die im April 2022 übergebene Gedenktafel für den Bruder von Colette Jean Pierre besuchen. Der Film und unsere Gegenwart verbindet einmal mehr die menschliche Sehnsucht nach Frieden. Wohl kein anderes Lied wie die „kleine weiße Friedenstaube“ von Erika Schirmer steht symbolisch für den Wunsch nach Frieden und Hoffnung. Mit dem Liedvortrag zum Einklang des Films setzt die Stadt ein Zeichen für den Frieden.

Für Nordhausen ist dies wohl einmaliges Ereignis, das hoffentlich in die Geschichte der Stadt eingehen und woran man sich erinnern wird.

 

(Fotos: Nadine Kathrin Luschnat)