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Hochschule Nordhausen


Von der Forschung in die Anwendung: Ein Online-Tool für die Auslegung von Energiesystemen

Von der Forschung in die Anwendung: Ein Online-Tool für die Auslegung von Energiesystemen

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Veröffentlicht am: 3. July 2025


Durch das Tool soll einer breiten Öffentlichkeit die Möglichkeit der Simulation und Optimierung von Energiesystemen bereitgestellt werden. Es handelt sich um ein browserbasiertes Tool, bei dem nichts auf bestehenden Rechnern zu installieren ist.

Wie können Unternehmen heute wirtschaftlich und nachhaltig mit Energie umgehen? Der Druck durch steigende Energiekosten und ambitionierte Klimaziele wächst. Ein entscheidender Hebel liegt in der Planung des richtigen Energiemixes – abgestimmt auf den eigenen Betrieb. Genau hier setzt ein neues Online-Tool der Hochschule Nordhausen an: Es macht die komplexe Modellierung und Optimierung von Energiesystemen einfach zugänglich – direkt im Browser, ohne Vorwissen in Programmierung.

Für die Modellierung von Energiesystemen gibt es verschiedene Softwarelösungen – sowohl kostenpflichtige als auch frei verfügbare. Die bekannten Open-Source-Tools oemof 1 und PyPSA 2 arbeiten jedoch mit der Programmiersprache Python. Das macht sie für viele Unternehmen schwer zugänglich, da dafür spezielles IT-Wissen nötig ist. Deshalb werden solche Werkzeuge bisher nur selten in der Praxis eingesetzt – obwohl sie dabei helfen könnten, die Energiewende auch im Industriesektor voranzubringen. Mehrere Forschungseinrichtungen 3 4 5 haben dieses Problem erkannt und entwickeln derzeit Lösungen, die den Zugang deutlich erleichtern sollen.

Im Hintergrund berechnet eine bewährte Open-Source-Software die optimale Zusammensetzung des Energiesystems – ausgehend von den eingegebenen Daten. Das sorgt für verlässliche Ergebnisse auf wissenschaftlichem Niveau.

Die Benutzeroberfläche selbst wurde mit der auf Java-Skript basierenden Angular-Umgebung erstellt. Die gesamte Software wird auf Servern der Hochschule Nordhausen gehostet, so dass keine Daten an externe Stellen weitergegeben werden. Die browserbasierte Lösung hat zudem den Vorteil, dass in Unternehmen und Haushalten keine eigenen Rechenkapazitäten angeschafft werden müssen. Benötigt werden lediglich ein Internetanschluss und ein funktionsfähiger Browser.

Die Nutzung ist denkbar einfach: Unternehmen geben eigene Verbrauchsdaten, Energiequellen oder geplante Maßnahmen ein – das Tool erstellt darauf basierend ein technisch fundiertes Rechenmodell. Der Vorteil: Entscheidungen zur Investition in erneuerbare Energien oder zur Lastverschiebung können analysiert werden, ohne dass ein externes Gutachten notwendig ist.

Das entwickelte Tool stellt einen Technologietransfer von der Wissenschaft in die Wirtschaft und Gesellschaft dar. Es versetzt Unternehmen in die Lage, ohne Unterstützung von Forschenden eigene Energiesystemmodelle zu erstellen und zu bewerten. Neben dem Transfer in die Gesellschaft erleichtert das Tool auch die Arbeit der Forschenden, da die Benutzeroberfläche eine sehr einfache Erstellung von Energiesystemmodellen in der Modellierungsumgebung oemof ermöglicht.

Im Rahmen des Studiengangs Regenerative Energietechnik wird das Tool auch im Modul Sektorkopplungstechnologien eingesetzt. Durch forschungsnahe Fragestellungen werden die Studierenden in diesem Modul befähigt, Energiesysteme adäquat abzubilden und konkrete Handlungsmaßnahmen abzuleiten. Darüber hinaus nutzen die Studierenden des Masterstudiengangs Renewable Energy Systems derzeit bereits die textbasierte Möglichkeit, Energiesystemoptimierungen in oemof durchzuführen. Dies wird sich durch die grafische Benutzeroberfläche voraussichtlich verstärken, so dass das Tool auch dort im Rahmen von Abschlussarbeiten eingesetzt werden kann.

Durch die Vorstellung der Benutzeroberfläche auf dem Jahrestreffen des Forschungsnetzwerks Energiesystemanalyse konnten weitere Kontakte zu anderen Forschungseinrichtungen geknüpft werden, die ebenfalls an Werkzeugen zur Energiesystemmodellierung arbeiten. Ziel ist es, die Arbeiten zu bündeln und ein gemeinsames Tool zu entwickeln, das einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung steht und kontinuierlich weiterentwickelt wird.

Die Entwicklung zeigt: wissenschaftliche Erkenntnisse lassen sich in konkrete Werkzeuge für Unternehmen übersetzen. Das Online-Tool ist ein Beispiel für gelungenen Technologietransfer und wird stetig weiterentwickelt. Künftig sollen weitere Funktionen wie Vergleichsmöglichkeiten unterschiedlicher Szenarien oder der einfache Wechsel zwischen Modellierungsansätzen (z. B. oemof, PyPSA) folgen.

Im Rahmen neuer bundesweiter Forschungsprojekte sollen die Werkzeuge verschiedener Forschungseinrichtungen gebündelt und eine gemeinsame Weiterentwicklung sichergestellt werden. Eine Möglichkeit besteht beispielsweise darin, ein Modellierungswerkzeug zu entwickeln, bei dem die hinterlegte Modellierungsumgebung (oemof, PyPSA, etc.) einfach gewechselt werden kann. Dadurch entsteht ein Werkzeug, das noch mehr Möglichkeiten der Energiesystemanalyse bietet. Darüber hinaus ermöglicht und vereinfacht ein solches Tool auch ein Benchmarking zwischen verschiedenen Systemen. Eine Erweiterung des Tools hätte zudem den Vorteil, dass auch Standards für Datenformate etabliert werden könnten.

Durch die Entwicklung der graphischen Benutzeroberfläche steht ein Anwendertool zur Verfügung, das eine einfachere Nutzung der Modellierungsumgebung oemof ermöglicht. Damit wird die Möglichkeit der Energiesystemmodellierung und -optimierung einem breiteren Personenkreis zugänglich gemacht.

Das Tool ist ab August 2025 unter der Adresse ensys.hs-nordhausen.de nutzbar.

Christoph Schmidt
Forschungsgebiete: Elektrische Energietechnik; Kühlung elektrischer Maschinen; Energiesystemmodellierung  

Abteilungsleiter für Elektrische Energietechnik an der Hochschule Nordhausen, spezialisiert auf nachhaltige Energiesysteme. Promoviert derzeit im Bereich der Kühlung von elektrischen Maschinen im Automobilsektor.

Referenzen

  1. Hilpert, S.,el. al.: The Open Energy Modelling Framework (oemof) – A new approach to facilitate open science in energy system modelling. Energy Strategy Reviews 22 (2018), S. 16–25[]
  2. Brown, T., et. al.: PyPSA: Python for Power System Analysis. Journal of Open Research Software 6 (2018) 1, S. 4[]
  3. Klemm, C., et al.: The Spreadsheet Energy System Model Generator (SESMG): A tool for the optimization of urban energy systems. Journal of Open Source Software 8 (2023) 89, S. 5519[]
  4. Institut für Regenerative Energietechnik -in.RET: Ensys-GUI, Nordhausen 2025. https://github.com/in-RET/ensys-gui, abgerufen am: 05.06.2025[]
  5. Reiner Lemoine Institut: open-plan-tool. https://github.com/open-plan-tool, abgerufen am: 05.06.2025[]


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