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Hochschule Nordhausen


Wie wirken sich die dezentrale Energieversorgung und die Sektorkopplung auf die Verbrauchsgewohnheiten im Privathaushaltssektor aus?

Wie wirken sich die dezentrale Energieversorgung und die Sektorkopplung auf die Verbrauchsgewohnheiten im Privathaushaltssektor aus?

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

Veröffentlicht am: 12. Mai 2025


Von M.Eng. Rohith Bala Krishnan

Aufgrund des hohen Anstiegs der Energiepreise ist die dezentrale Energieversorgung (z.B. mittels einer Photovoltaikanlage auf dem Dach) in privaten Haushalten zunehmend populär. Dabei wird jedoch ein großer Teil der erzeugten Energie beim Fehlen eines Batteriespeichers in das Netz eingespeist. Jetzt stellt sich die Frage: Wie wirkt sich ein Anstieg der Haushalte mit Photovoltaikanlagen bis zum Jahr 2045 auf die verbleibende Energie aus, die dem Stromnetz entnommen wird? Die Ergebnisse beruhen auf einer detaillierten Fallstudie, die sich auf das Bundesland Thüringen konzentriert.

Einleitung:

Die ehrgeizigen Ziele der Energiewende in Deutschland verändern das Stromversorgungssystem mit dem Schwerpunkt auf Kostenoptimierung und Nachhaltigkeit. Ein wesentlicher Aspekt dieses Wandels ist die zunehmende dezentrale Energieversorgung in Privathaushalten, getrieben durch Faktoren wie hohe Energiekosten und die Integration von Photovoltaikanlagen. Private Haushalte können bis zu 30% ihrer Energie aus dem Photovoltaiksystem (PV-Systeme) auf dem Dach beziehen. Ergänzt man das PV-System mit einer Batterie kann der Eigenverbrauch auf 60-70% steigen. Aufgrund hoher Kosten haben die meisten Haushalte mit PV-Systemen aber keinen Speicher, wodurch 70% der produzierten Energie ins Netz eingespeist werden. Da die Haushalte zunehmend zu Energieproduzenten („Prosumer“) werden, indem sie ungenutzte Energie in das Netz einspeisen, müssen die traditionellen Standardlastprofile neu konzipiert werden, um dieser Verschiebung Rechnung zu tragen. In diesem Beitrag geht es darum, wie sich diese Veränderungen auf das Energienetz und die Zukunft der Energieversorgung auswirken. Diese Forschung konzentriert sich insbesondere auf das Bundesland Thüringen und auf die Auswirkungen einer dezentralen Energieversorgung und Sektorkopplung auf Lastprofile. Szenarien zur PV-Anlagenkapazität in Thüringen bis 2045 werden analysiert, um die Auswirkungen auf den verbleibenden Energiebedarf des Netzes zu verstehen.

Methodik:

Um ausreichend Energie zu produzieren und im Netz verfügbar zu machen, nutzen Energieversorger Standardlastprofile (SLP) [1], um das Verbraucherverhalten abzubilden. Genauer gesagt werden Standardlastprofile verwendet, um Leistungsschätzungen, Leistungsgrenzen und Simulationen von Energiesystemen durchzuführen. In einer früheren Veröffentlichung wurde eine neue Methode vorgeschlagen, um die Stromlastprofile mithilfe einer Bottom-up-Stochastik zu entwickeln und die Nachteile von SLPs wie sich wiederholende Verläufe zu vermeiden [2].

Die Stromlast der Haushalte setzt sich aus drei Teilen zusammen: i) der Last für klassische Elektrogeräte, ii) der Last für die Wärmeerzeugung im Winter (z.B. mit Wärmepumpe, Heizstab usw.) und iii) der Last für das Laden von Elektroautos.

i) Stromlastprofil für Elektrogeräte

Das Lastprofil für elektrische Geräte im Haushalt wird mit dem Open-Source-Tool RAMP entwickelt. RAMP verwendet einen stochastischen Algorithmus, um unberechenbares, zufälliges Verbraucherverhalten zu reproduzieren [3]. Benutzer und Geräte müssen in RAMP definiert werden, um die gewünschten Profile zu generieren. Mit Hilfe der Daten des Thüringer Landesamt für Statistik werden die Benutzer je nach Familientyp im Haushalt klassifiziert, da der jährliche Verbrauch von der Anzahl der im Haushalt lebenden Personen abhängt [4]. Die Simulation umfasst gängige Haushaltsgeräte wie Beleuchtung, Fernseher, Kühlschrank, Gefrierschrank, Waschmaschine, Geschirrspüler, Kochgeräte, Umwälzpumpe und Warmwasserbereiter. Das Lastprofil wird für vier verschiedene Regionen im Bundesland Thüringen entwickelt, um die Lasten zu differenzieren. Zum Vergleich werden das RAMP-Profil und das Standardlastprofil (SLP) auf den gleichen Jahresverbrauch von 1000 kWh/a skaliert. Abbildung 1 vergleicht die Profile in Tagesauflösung und zeigt deutlich, dass die SLP innerhalb jeder Saison einen konstanten Verlauf haben und das RAMP-Profil dynamischer und realistischer ist, aber immer noch einen ähnlichen Verlauf aufweist.

Abb.1: Vergleich zwischen RAMP-Profil und SLP in Tagesauflösung

ii) Stromlastprofil für Wärmeerzeugung

Heizlastprofile werden durch drei Faktoren bestimmt: Wetterbedingungen, Gebäudeeigenschaften und Nutzung. Diese Profile können mithilfe statistischer oder physikalischer Modelle entwickelt werden. Aufgrund der begrenzten Datenlage in der Region Thüringen wird die statistische Messmethode von Gesatmdeutschland herangezogen. Dabei wird eine Sigmoidkurve zur Berechnung des täglichen Heizbedarfs verwendet, die dann hochskaliert wird, um den jährlichen Bedarf an Raumheizung und Warmwasser für den Haushalt zu berechnen. Faktoren wie Wohnfläche, spezifischer Heizwärmebedarf basierend auf Baujahr, Gebäudetyp sind für die Ermittlung des Gesamtheizwärmebedarfs für bestimmte Gebäudekategorien von wesentlicher Bedeutung. Mithilfe des Wirkungsgrades der Technologien kann dann der Strombedarf für die Heizung errechnet werden.

iii) Stromlastprofil für E-Mobilität

Der erwartete Zuwachs von Elektroautos wird zu einer erhöhten Nachfrage nach Elektrizität im Wohn- und Gewerbesektor führen. Etwa 80% der Ladevorgänge für Elektroautos wird zu Hause stattfinden, während 20% an öffentlichen Orten oder in Gewerbegebäuden erfolgen. Im Wohngebäude wird der Spitzenlastwert am späten Nachmittag und Abend erwartet, wenn die Bewohner von der Arbeit zurückkehren. Ohne intelligentes Lademanagement werden Elektrofahrzeuge sofort bei der Ankunft aufgeladen, und die Ladeleistung sinkt über Nacht abhängig von der maximalen Ladeleistung. Aufgrund fehlender Informationen über das Nutzerverhalten beim Laden in privaten Haushalten ist es derzeit unmöglich, Lastprofile stochastisch zu entwickeln. Für die Analyse werden die E-Mobilitätslastprofile für den Wohnbau aus einem webbasierten Planungstool namens nPro bezogen [5].

Ermittlung von Lastprofilen

Vorhersage der Kapazität von Dach-Solaranlagen in Thüringen

Die Kapazität von PV-Dachanlagen wird in Thüringen bis zum Jahr 2045 prognostiziert, wobei der Schwerpunkt auf den Beiträgen kleiner PV-Anlagen auf Dächern liegt. Mit Hilfe der Energiesystemanalyse der Prognos AG, des Öko-Instituts e.V. und des Wuppertal Instituts für eine klimaneutrale Zukunft Deutschlands und den aktuellen Berichten des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme [6][7], ergibt sich das folgende Bild:

  • Kleine PV-Systeme auf Hausdächern (<10 kWp) tragen über die letzten zehn Jahre konstant durchschnittlich 18,4 % zur gesamten Stromerzeugung aus PV-Anlagen bei.
  • Thüringen hat in den letzten zehn Jahren einen konstanten Anteil von rund 3 % an der Gesamtkapazität installierter PV-Anlagen in Deutschland.

Die prognostizierte Leistung von Dachsolaranlagen (<10 kWp) in Thüringen bis zum Jahr 2045 ist in der Abbildung 2 dargestellt und zeigt deutlich einen stetigen Anstieg.

Abb.2: Prognostizierte Leistung der PV-Dachanlage (<10 kWp) in Thüringen (rechte Y-Achse: grüne Linie) bis 2045

Analyse des Energiesystems

Ein auf Eigenverbrauch ausgelegtes PV-System ohne Speicher kann etwa 30% der erzeugten Energie verbrauchen, während der Rest in das Netz eingespeist wird. In Deutschland bevorzugen Anlagenbetreiber immer noch das Einspeisen von Energie in das Netz aufgrund des Einspeisetarifs von derzeitigen ca. 8 ct/kWh. Der Einspeisetarif fördert den Bau von PV-Systemen auf Dächern und entlastet das Stromnetz. In Zukunft wird sich der Einspeisetarif jedoch allmählich verringern.

Personen, die einen Teil des produzierten Stroms selbst verbrauchen und den Rest einseisen, werden als Prosumer bezeichnet (Produzent + Verbraucher). Es ist notwendig, die Standardlastprofile (SLP) für zukünftige Energieanalysen anzupassen und durch das Prosumer-Profil zu ersetzen. Abbildung 3 zeigt das tägliche durchschnittliche Prosumer-Nachfrageprofil für die Jahre 2030, 2040 und 2045 im Vergleich zum normalen Referenzlastprofil. Ein auffälliger Höhepunkt über den Abendverlauf ist auf den steigenden Trend in der Elektromobilität zurückzuführen, während der Spitzenwert nachmittags auf die hohe PV-Energieproduktion zurückzuführen ist. Im Winter besteht tagsüber eine Nachfrage nach Strom aufgrund der geringeren Leistung des PV-Systems, während im Sommer nahezu keine Stromnachfrage besteht.

Abb.3: Durchschnittliches Prosumer-Strombedarfsprofil für einen Tag im Vergleich zum Referenzlastprofil

Im Gegensatz zu PV-Systemen ohne Speicher können PV-Systeme mit Batteriespeicher etwa 65-75% der erzeugten Energie verbrauchen und nur 35-25% in das Netz einspeisen. Hohe Strompreise machen die Batteriespeicherung für PV-Systembesitzer attraktiver, da höhere Selbstverbrauchsraten erreicht werden können. Der Aufbau von Batteriespeichern in Deutschland hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen und bis 2021 eine installierte Gesamtkapazität von gut 3,5 GWh erreicht. Dies hat perspektivisch starke Auswirkungen auf die Prosumer-Stromnachfrageprofile: Die Analyse in Abbildung 4 geht davon aus, dass sich die Abhängigkeit vom Stromnetz während des Sommers und der Übergangszeit erheblich und während des Winters leicht verringern wird.

Diese Analyse wurde vom Team Energiesystemmodellierung am Institut für Regenerative Energietechnik der Hochschule Nordhausen im Rahmen des vom Freistaat Thüringen geförderten Projekts ZO.RRO II[1] durchgeführt, in dem ein detaillierter und effektiver Transformationspfad für das Land Thüringen erarbeitet wird. Das Stromlastprofil wird dahingehend angepasst, den Anteil der Haushalte, die eine PV-Anlage zur Eigenstromerzeugung nutzen, zu berücksichtigen und ein möglichst exakt auf das Bundesland Thüringen zugeschnittenes Energiesystem zu entwickeln. Diese Forschungsdaten werden veröffentlicht und können mit geringfügigen Änderungen problemlos zur Analyse des Prosumer-Lastprofils für andere Gebietskörperschaften verwendet werden.

Abb.4: Durchschnittliches Prosumer-Lastprofil (grüne Linie: nur PV-System; braune Linie: PV-Batteriesystem) für Wochentage (Mo-Fr), Samstag (Sa) und Sonntag (So) im Winter, Sommer und in der Übergangszeit

Quelle:

[1] BDEW (Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft), (2018)., Standardlastprofile. Abgerufen von https://www.bdew.de/energie/standardlastprofile-strom/. Datum: 05.09.2023
[2] Bala Krishnan, R. K., et al., (2022). Auswirkungen dezentraler Energieversorgung auf Standardlastprofil im Stromsektor. Tagnungsband 29th Energy-Symposium REGWA 2022, pg 9-17.
[3] Lombardi, F. et al., (2019). Generating high-resolution multi-energy load profiles for remote areas with an open-source stochastic model. Energy, 2019
[4] Thüringer Landesamt für Statistik (TLS) (2014). Anzahl der Haushalte nach Familientyp in Thüringen. Abgerufen von: https://statistik.thueringen.de/datenbank/TabAnzeige.asp?tabelle=gs040001%7C%7C. Datum: 15.09.2023
[5] Wirtz, M. (2023). nPro: A web-based planning tool for designing district energy system and thermal network. Energy, 126575, 2023. DOI: 10.1016/j.energy.2022.126575.
[6] Prognos, & Öko-Institut, W. I. (2021). Towards a Climate-Neutral Germany by 2045. How germany can reach its climate targets before 2050. Executive Summary conducted for Stiftung Klimaneutralität, Agora Energiewende and Agora Verkehrswende
[7] Fraunhofer ISE. (2022). Photovoltaik- und Batteriespeicherzubau in Deutschland in Zahlen: Auswertung des Marktstammdatenregister. Freiburg


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Rohith Bala Krishnan