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Hochschule Nordhausen
Symposium Toxische Männlichkeit – Interdisziplinäres Symposium zur kritischen Auseinandersetzung mit toxischen Männlichkeitsbildern
Symposium Toxische Männlichkeit – Interdisziplinäres Symposium zur kritischen Auseinandersetzung mit toxischen Männlichkeitsbildern
Prof. Dr. Petra Brzank, Prof. Dr. Stefan Kunde-Siegel, Prof. Dr. Sabrina Schramme
Seit mindestens einer Dekade kursiert der Begriff der „toxischen Männlichkeit“ in diversen Diskursen in Wissenschaft und Gesellschaft. Populär wurde er u.a. im Kontext der #MeToo-Bewegung oder im Zusammenhang mit Amokläufen, mit gegen Frauen gerichteter Gewalt oder einem bestimmten Führungsstil. Die schädlichen Auswirkungen von „toxischer Männlichkeit“ können wir täglich wahrnehmen: In den hohen Zahlen von männlicher Partnergewalt betroffenen Frauen sowie von Femiziden, Gewalt gegen Trans* oder queere Personen, in der zunehmenden Etablierung von neuen misogynen Männerbünden und antifeministischen Zusammenschlüssen wie bspw. den Incels und ihrem propagierten Frauenhass, der statistisch belegten Häufigkeit gewalttätiger Auseinandersetzungen unter Männern, der hohen Zahl an drogenabhängigen, strafverfolgten und inhaftierten Männern sowie der um ca. 5 Jahre niedrigeren Lebenserwartung. Auch die Klimakrise oder kriegerische Auseinandersetzungen werden z.T. ursächlich einer toxischen Männlichkeit zugeschrieben, die sich die Welt untertan machen will. Doch was bezeichnet „toxische Männlichkeit“?
Zu fragen ist angesichts der Konstruktionsprozesse von Männlichkeit: Welche Bereiche toxischer Männlichkeit gibt es? Wie können diese beschrieben und in Ihren Voraussetzungen, Handlungsweisen sowie Interventionsmöglichkeiten bestimmt und kritisch reflektiert werden? Könnten emanzipatorische Aspekte, die von feministischen und reflexiv-kritischen männlichen Bestrebungen und Widerständen ausgehen und Veränderungen patriarchaler Zustände zum Ziel haben, Einfluss auf die Entstehung bzw. Verhinderung toxischer Männlichkeit haben? Und wenn ja, wie? Bietet das Konzept „toxische Männlichkeit“ Ansatzpunkte für Formen der individuellen und gesellschaftlichen Prävention und Intervention? Wenn ja: Welche? Und: Kann zerstörerische, toxische Männlichkeit überwunden werden?
Mit einigen dieser Fragen beschäftigte sich das am 12.12.2024 an der Hochschule Nordhausen stattgefundene Online-Symposium, das vom Kompetenzzentrum Intersektionalität und Gesundheit (KIG) veranstaltet und vom Instituts für Sozialmedizin, Rehabilitationswissenschaften und Versorgungsforschung (IRSV) der Hochschule Nordhausen und dem Projekt „Prof X im Rahmen des Programms FH-Personal“ finanziert wurde. In zehn spannenden Vorträgen führten ausgewiesener Expert*innen in die einzelnen Bereiche, in denen sich toxische Männlichkeit zeigt, ein und diskutierten Fragen auch mit den Teilnehmenden kritisch. Das große Interesse an dem Thema zeigte sich an den etwa 100 Teilnehmenden.
Eine schriftliche Auseinandersetzung mit drängenden Fragen rund um „toxische Männlichkeit“ wird in einem geplanten Sammelband weitergeführt werden, dass von Prof. Dr. Petra J. Brzank, Prof. Dr. Stefan Kunde-Siegel und Prof. Dr. Sabrina Schramme herausgegeben wird und im Herbst 2025 erscheinen wird.
Inhalte des Symposiums
Auf der Ebene der makroanalytischen Einordnung toxischer Männlichkeit berichtete Prof. Dr. Birgit Sauer (Universität Wien) über die Inszenierung von Männlichkeit in politischer Führung und im Autoritarismus. Im Rahmen der Manifestationen toxischer Männlichkeit stellte Dr. Heidi Süß (Universität Trier) toxische Männlichkeit im Deutschrap dar und Gironimo Krieg und Paul Nickel (Universität Ulm) stellten Forschungsergebnisse zum Thema Gesundheit und toxische Männlichkeit vor. Prof. Dr. Sebastian Schädler (Medical School Berlin) befasste sich mit dem Thema Heldentum als Ausdruck toxischer Männlichkeit und Miriam Mettler (Diplom-Psychologin) mit Männlichkeitskult und dem Ehrbegriff im Islam. Prof.in Dr. Esther Lehnert (Alice Salomon Hochschule Berlin) stellte Männlichkeiten in der extremen Rechten vor und Jenny Degner-Mantoan (Ruhr Universität Bochum) politische Männlichkeit, also Maskulinismus und Antifeminismus im Kontext hegemonialer Männlichkeit.
Im Anschluss an diese eher theoretisch-empirischen Einordnungen folgten Vorträge zu möglichen Praxisfeldern sowie Handlungsansätze in Prävention und Intervention. So berichtete Sonja Marzock (Projekt „entschwört“) zu toxischer Männlichkeit und Verschwörungsideologie, Sebastian Tippe (Dipl. Pädagoge) stellte geschlechtersensible Pädagogik gegen toxische Männlichkeit vor und Dr. Dag Schölper (Bundesforum Männer) referierte abschließend darüber, wie nachhaltige Männlichkeit gefördert und toxische Männlichkeit überwunden werden kann.
Einigkeit bestand über die Existenz verschiedener Formen toxischer Männlichkeit. Ihre Manifestation in unterschiedlichen Handlungsfeldern und gesellschaftlichen Ebenen wurde anhand vielfältiger Beispiele aufgezeigt, wobei bestimmte toxische Verhaltensweisen keine explizite Geschlechterspezifik aufweisen. Wegen dem zerstörerischen, toxischem Potential dieser Männlichkeit braucht es Intervention und Prävention, für die bereits Ansätze erprobt sind und weiter zu entwickeln sind.
Das Thema toxische Männlichkeit ist nach diesem spannenden Symposium noch lange nicht zu Ende diskutiert. Weitere interessante Aspekte sind mit der Veröffentlichung des Handbuches zu erwarten, das auch die Bedeutung der Sozialen Arbeit in diesem Themenfeld in den Fokus rücken wird.
Prof. Dr. med. Stefan Kunde-Siegel
Prof. Dr. Sabrina Schramme
Prof. Dr. Petra J. Brzank