Der bedeutende Einfluss von Sozialen Determinanten auf die Gesundheit ist seit langem empirisch belegt (vgl. Kommission der Weltgesundheitsorganisation (WHO))1. Sozialstrukturelle Merkmale wie Alter, Geschlecht, sexuelle Orientierung, Sozialstatus (operationalisiert über Einkommen, Bildung, Berufsstatus), soziale Lebenslagen, Armut, Arbeitsbedingungen, Migrationsgeschichte, Kultur und Religion sowie andere Faktoren wie bspw. Gewalterfahrungen haben nachweislich einen beträchtlichen Einfluss auf die Gesundheit.
Als Soziale Gesundheitsdeterminanten beeinflussen sie die individuellen gesundheitlichen Belastungen, die jeweils zur Verfügung stehenden Bewältigungs- und Widerstandsressourcen sowie die gesundheitsrelevanten Aspekte des Lebensstils und die gesundheitliche Versorgung. Eine isolierte Betrachtung nur einer einzelnen Sozialen Determinante kann zu Fehlinterpretation und Nichterkennen komplexerer Zusammenhänge führen. Eine intersektionale Perspektive hat den Anspruch diese blinden Flecken zu verringern, indem sie stets mehrere soziale Determinanten in ihrer wechselseitigen, multiplikativen statt additiven Beeinflussung betrachtet. Intersektionale Betrachtung identifiziert und analysiert mit einem macht- und herrschaftskritischen Fokus gleichfalls die strukturellen, gesellschaftlichen, institutions- bzw. systemimmanenten Ursachen für (gesundheitliche) Ungleichheit oder Diskriminierung, die Chancengleichheit verhindern. Intersektionalität, Sozialepidemiologie und Public Health zielen  auf einen Abbau sozialer und gesundheitlicher Ungleichheit.

Das Kompetenzzentrum „Intersektionalität und Gesundheit“ (KIG) untersucht diese sozialen Determinanten in ihrem Zusammenspiel auf Gesundheit, die im Sinne der WHO nicht nur verstanden wird als Abwesenheit von Krankheit, sondern als Zustand umfassenden Wohlbefindens.

Im KIG haben sich Expert:innen verschiedener Disziplinen mit dem Ziel zusammengefunden, soziale und gesundheitswissenschaftliche Wissenschaft und Praxis aus einer intersektionalen Perspektive zu betreiben.

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Prof. Dr. Petra J. Brzank

als Soziologin, promovierte Public Health-Wissenschaftlerin und mit ausgewiesener Expertise in der empirischen Sozialforschung liegen ihre Schwerpunkte in der Sozialepidemiologie, den Sozialen Determinanten von Gesundheit und hier insbesondere bei den Faktoren Gender, Migration und interpersonelle Gewalt. Forschungsprojekte und vielfältige Publikationen weisen sie als Expertin in ihrem Gebiet aus.

Forschungsschwerpunkte Prof. Dr. Brzank

  • Gender- und diversitätssensible Forschungsmethoden
  • Soziale und gesundheitliche Ungleichheit
  • Interpersonelle Gewalt und Gesundheit
  • Migration und Gesundheit

Prof. Dr. Sabrina Schramme

bringt ihre Kenntnisse der Inklusiven Pädagogik, eines Umgangs mit Heterogenität im Rahmen inklusiver Lebenslaufprozesse sowie der Intersektionalitätsforschung ein. Als Rehabilitationswissenschaftlerin ist ihr dabei  insbesondere die macht- und herrschaftskritische Bezugnahme zu Inklusion, Partizipation sowie sozialer Ungleichheit und weiterhin eine partizipative Ausrichtung auf biografische Aspekte in der Forschung wichtig. Diese tragen dazu bei, einen umfassenden Blick auf Intersektionalität und Gesundheit in verschiedenen gesellschaftlichen Zusammenhängen zu entwickeln.

Forschungsschwerpunkte Prof. Dr. Schramme

  • Inklusive Pädagogik
  • Intersektionalitätsforschung, soziale Ungleichheit, Macht und Herrschaftsverhältnisse
  • Biografische Forschung, biografische Perspektiven über die Lebensspanne
  • Disability, Gender- und Queer Studies;
  • Diversität und Sensibilisierung für Diversität

Prof. Dr. Stefan Siegel

beschäftigt sich insbesondere mit Fragen des Zugangs zu gesundheitlicher Versorgung. Welche Rolle spielen soziale Kategorien und ihre Interdependenzen in Kombination mit strukturellen, systemimmanenten Barrieren für die (Nicht-)Inanspruchnahme und die Leistungserbringung gesundheitlicher Versorgung? Warum nehmen Personen bestimmten Geschlechts und bestimmter Herkunft z.B. ambulante psychotherapeutische oder medizinische Leistungen bei bestimmten Personen anderen Geschlechts und anderer Herkunft in Anspruch oder nicht in Anspruch? Welchen ggf. diskriminierenden oder gewaltsamen Erfahrungen sind bestimmte Personen mit bestimmter sozialer Kategorienkonstellation ausgesetzt (z. B. in der Geburtshilfe) und andere nicht? Warum werden bestimmten Personen Gesundheitsleistungen angeboten und andere wissen nichts davon? Welche strukturellen Veränderungen in der Versorgung müssten vorgenommen werden um für mehr gesundheitliche Gleichheit zu sorgen? Der Fokus liegt auf intersektioneller Versorgungsforschung in der sogenannten „letzten Meile der Versorgungssysteme.“

Forschungsschwerpunkte Prof. Dr. Siegel

  • Psychiatrie
  • Psychotherapie
  • Versorgungsforschung
  • Sexualwissenschaft

Kristina Winter, M.A.

ist Soziologin mit den Forschungsschwerpunkten im Bereich (internationale) Kinder- und Jugendgesundheit, Sozialisation sowie sexuelle Gesundheit und Gewalt. Die Bedeutung gesundheitlicher Ungleichheiten und Chancengerechtigkeit sowie die Analyse möglicher Schutz- und Risikofaktoren stehen dabei im Fokus ihrer quantitativen wie auch qualitativen empirischen Sozialforschung. Gerade bei dem wichtigen Thema „Intersektionalität und Gesundheit“ darf der Blick auf die heranwachsende Generation nicht fehlen – denn sie bildet das Fundament der zukünftigen Gesellschaft.

Studie zum Beratungsbedarf queerer Jugendlicher/junger Erwachsener im Raum Nordhausen

In einer Kooperation zwischen dem Kinder- und Jugendparlament, dem Kreisjugendring e.V. und der Hochschule Nordhausen soll die Lebenssituation und der Beratungsbedarf queerer Jugendlicher und junger Erwachsener im Landkreis Nordhausen qualitativ erhoben werden.

Studien zu der spezifischen Lebenssituation queerer Jugendlicher und junger Erwachsener zeigen auf, dass queer-spezifische Gewalt wie z.B. Ausgrenzung oder Mobbing weit verbreitet sind. Queere Jugendliche und junge Erwachsene weisen ein höheres Risiko auf, psychisch zu erkranken. Daraus lässt sich ein Bedarf für gut zugängliche und spezialisierte Angebote, die an queere junge Menschen gerichtet sind, ableiten (z.B. Beratung bei Mobbingerfahrungen, Unterstützung bei Fragen zur geschlechtlichen Identität oder sexuellen Orientierung, Unterstützung bei Coming-Out-Prozessen oder rechtliche Beratung). Themenschwerpunkte in den geplanten qualitativen Interviews werden dementsprechend Coming-Out-Prozesse, Erfahrungen in der Schule und im Landkreis Nordhausen sowie Beratungserfahrungen und -wünsche sein.

Voraussetzungen zur Teilnahme an der qualitativen Interviewstudie sind, dass die Teilnehmenden zwischen 18 und 26 Jahre alt sind, den Großteil ihrer Schulzeit im Landkreis Nordhausen verbracht haben und sich als queer identifizieren, also als lesbisch, schwul, bisexuell/biromantisch, pansexuell/biromantisch, asexuell/aromantisch, trans*, inter*, nicht-binär, agender, bigender, multigender, genderfluid, queer oder questioning bezeichnen (Aufzählung nicht abschließend, alle Identitäten des LGBTQIA+ – Spektrums sind angesprochen).

Projektleitung:

Prof. Dr. Sabrina Schramme

Projektmitarbeit:

Anna Zimmermann, Studentin der Heilpädagogik und Forschungspraktikantin

Laufzeit:

06/2023 – 02/2024

  1. CSDH (2008). Closing the gap in a generation: health equity through action on the social determinants of health. Final Report of the Commission on Social Determinants of Health. Geneva, World Health Organization. ↩︎